Dieser Band enthält 7 kurze Geschichten.

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 Gottburg, auf der Autobahn unterwegs, drängt sich ein schönes, blondes Mädchen als Anhalterin auf.

Zwei Frauen im Zug von Hamburg nach Berlin freuen sich darauf, einmal ohne ihre Männer das KaDeWe unsicher zu machen.

Ein Soldat steht ein langweiliges Wochenende in der Kaserne durch.

Ein junger Flüchtling wird im Januar 1945 von der SS kurz vor der Flucht mit dem Schiff über die Ostsee aufgespürt
und angeschossen.
   

Ein biederer Ehemann und Hobbyfotograf freut sich auf die im Internet bestellte Spiegelreflexkamera.
  
Ein alt gewordene Ehepaar nimmt auf dem Balkon den Abendtee ein und sinnt über
 vergangene Zeiten nach.

 

                                                                                      Der Junglehrer Dieter Hansen muss sich mit

                                                                                      pubertierenden Vierzehnjährigen herumschlagen.

 

                                                          L e s e p r o b e  (aus "Die Blutspende")

 

Das letzte, was er deutlich wahrnahm, waren die hastenden Schritte schwerer Soldatenstiefel, die sich ihm näherten. Dann verlor er das Bewusstsein. Der SS-Sturmmann, der auf ihn geschossen hatte, erreichte den liegenden Flüchtling als erster. Er hob sein Gewehr, presste den Schaft gegen seine Wange und zielte auf den Liegenden.

   »Halt!« Der Befehl kam vom Oberscharführer, der jetzt ebenfalls den Platz erreicht hatte, an dem der verletzte Delinquent lag. »Der lohnt keinen Schuss. Nehmt ihn auf!«

   Die beiden anderen schoben ihr Gewehr über die Schulter auf den Rücken und wuchteten den Jungen gemeinsam hoch.

   »Weg mit ihm in die Halle! Ich informiere den Sani.«

   Die beiden Kettenhunde ergriffen Fritz an Schulter und Stiefel und schleppten ihn so in Richtung Halle, die in einiger Entfernung kurz vor Oxhöft am Hang lag.

   »Nun macht schon!« Der Truppführer, der vorausgeeilt war, wartete bereits am Tor und hatte einen Sanitäter neben sich stehen.

   »Warum machst du das?«, fragte dieser den SS-Mann Wagner, während er sich bereits über den Verletzten beugte, um ihn in Augenschein zu nehmen »Der ist hinüber. Sieht man doch.«

   »Ich hab einen klaren Auftrag, wie du weißt«, erwiderte er. »Jetzt hast du ihn erstmal. Sieh zu, was du machen kannst!« Dann entfernte er sich.

   »Legt ihn da hin«, rief der Sani den beiden SS-Leuten zu und wies mit dem Arm auf eine freie Liege hinter einem Vorhang in der Ecke der Halle.

   Die beiden wechselten einen bedeutungsvollen Blick und legten ihre Last vorsichtig ab.

   »Also, ehrlich«, raunte der, der geschossen hatte, leise seinem Kameraden zu. »Man kann´s auch übertreiben«. Die Schwester, die der Gruppe entgegengeeilt war und den Transport während der letzten Meter begleitet hatte, machte sich sofort an die Arbeit. Wagner stand abseits mit einem Kameraden und gab diesem offensichtlich einen Bericht über den Hergang der letzten Verhaftung. Dann näherte er sich wieder der Krankenstation.

   »Kommt! Es geht weiter«. Wagner winkte seine Leute zu sich und trat aus dem allgemeinen Gedränge, das in der Nähe des Ausgangs herrschte, ins Freie.

   »Name, Alter! Wo sind die Papiere?«, wurde laut die Frage von hinten gerufen. Der Oberscharführer drehte sich kurz um und klopfte mit der Hand auf die Brusttasche seines Uniformmantels. Der Sani nickte und wusste, wo er suchen sollte.

   Die Halle war groß. Und das Leben, das in ihr war, wirkte wie das reine Chaos. In der Krankenecke standen zwölf Liegen. Drei Sanitäter, drei ausgebildete Krankenschwestern und eine Lernschwester kümmerten sich um diejenigen aus der Masse der Flüchtlinge, die krank wurden oder ohnmächtig, um Schwangere auch, die Hilfe brauchten. Jetzt hatten die Sanitäter also einen Schwerverletzten vor sich auf der Liege, der unter anderen Umständen wohl eher den Gnadenschuss erhalten hätte.

   Es war ein Kommen und Gehen auf der Krankenstation, die das Marinelazarett Gotenhafen, das sich weit entfernt südlich der Hafenanlagen am General-Litzmann-Platz befand, hier eingerichtet hatte. Diejenigen, deren Behandlung, wenn auch nur notdürftig, abgeschlossen war, mussten wieder hinaus aus der Halle, denn Platz zum Liegen und Erholen gab es nicht. So hatten die Sieben, die hier ihren Dienst taten, nicht eine Minute Zeit, sich um sich selbst zu kümmern, oder zwischen zwei Behandlungen eine Pause einzulegen, damit sie wieder zu Kräften kämen. Wenn die Patienten auch keine schweren Verletzungen hatten, weil es ja keine Kriegshandlungen in der Nähe gab, so war die Belastung, die auf den drei Sanitätern und den Schwestern lag, erheblich.

   Der Strom der Flüchtlinge riss nicht ab. Auf dem Weg zum Kai blieb Oberscharführer Wagner an einem kleinen Holzhäuschen stehen.

   »Wartet!«, befahl er seinen Leuten. »Und haltet die Augen auf!« Er beugte sich zum Sichtfenster hinab und sprach mit dem Hafenmeister, der da offiziell den Zugang zu den Schiffen kontrollierte, aber seit Tagen schon rettungslos überlastet nur noch seine Zeit absaß und froh war über jede Unterbrechung.

   »Geben sie mir Adlerhorst!« Während der Mann im Kapphäuschen die Kurbel drehte, ließ der Oberscharführer seinen Blick über die unüberschaubare Menge der flüchtenden Menschen schweifen. Seine Kameraden standen neben ihm und taten das gleiche.

   »Wie soll man das schaffen?«, meinte der Truppführer, mehr zu sich selbst. Der Hafenmeister reichte ihm den Hörer durchs Fenster.

   »Oberscharführer Wagner hier!«, rief er ins Telefon. »Geben sie mir Hauptsturmführer Peter!« Er schaute wieder über die Köpfe der heranströmenden Menge, während er wartete. Nur alte Männer, Frauen und Kleinkinder. Das, wonach sie suchten, waren wehrfähige, junge Männer für den Volkssturm.

   Es knackte in der Leitung.

   »Peter hier. Was gibt es, Wagner?«

   »Wir werden überrannt, Hauptsturmführer.« Er sprach laut. »Wir brauchen Verstärkung. Unbedingt! Zwei Trupps mindestens.«

   Der Vorgesetzte am anderen Ende der Leitung überlegte einen Moment. Wagner blickte wieder auf den Pier.

   »Ich sehe, was ich machen kann.« Wagner verzog ungnädig sein Gesicht und wollte noch einen Einwand anbringen, schwieg dann aber. Sagte nur: »Verstanden. Ende!« und gab den Hörer zurück.

   Gegenüber der Krankenstation hatte man nur für den heutigen Tag ein etwa gleich großes Areal mit Vorhängen abgetrennt. Gestern noch hatten hier Hunderte Treckteilnehmer ihre unbequemen Lager aufgeschlagen und waren dadurch in weitaus geringerem Maße der Kälte ausgesetzt als die Menschen, die draußen übernachten mussten. Heute aber hatten die entweder einen Platz auf einem der Schiffe zugeteilt bekommen, die über die Ostsee nach Westen fahren würden, oder wieder einen der bitterkalten Plätze im Freien.

   Jetzt gab es hier sogar einen Kanonenofen, der um den Tisch herum, den man vor der Hallenrückwand aufgestellt hatte, eine wohlige Wärme verbreitete. Ein Obergefreiter betrat die behelfsmäßige Amtsstube. Er kam mit einem Stapel Holzscheite auf den Unterarmen von draußen herein und ließ diese neben den Ofen in eine bereitgestellte Kiste fallen.

 

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